25.08.1886 - 25.08.2021: 135. Jahre TSG 1886 Albisheim e.V.

111 Jahre Narralbsemer Fastnacht

Die Albisheimer – Albsemer – Fastnacht darf 2008 auf ein stolzes Jubiläum blicken. War als einer der ältesten Nachweise Albisheimer Fastnacht die Existenz der 2. Ausgabe der Narralbsemer Fastnachtszeitung aus dem Jahre 1905 bekannt, so fand sich im Sommer 1996 aus altem Privatbesitz ein Bild, das nachweislich närrisches Fastnachtstreiben im Jahre 1897 belegt. Im Sommer 2007 fand sich dann auch als ältestes Schriftdokument eine Ausgabe des Narrenjournals aus dem Jahre 1897. Wir hoffen, dass im Interesse chronistischer Zwecke (Bilder, Schriften oder sonstige Nachweise) dem Chronisten weitere Hinweise gegeben werden können, die altes oder vielleicht sogar noch älteres Faschingstreiben belegen.

Die Fastnacht hatte zur Zeit der Jahrhundertwende natürlich ein ganz anderes Aussehen als heute. Kappensitzungen in der Form, wie wir sie heute kennen, dürfte es damals bei uns noch nicht gegeben haben. Vielmehr beschränkte sich das närrische Treiben auf zünftige Masken- u. Preismaskenbälle mit närrischen Einlagen. Das Dorfgeschehen des zurückliegenden Jahres wurde in Moritaten – was die Zeitung von 1905 unterstreicht – gefasst und vermutlich am Fastnachtswochenende unter großem Helau bekannt gemacht, ähnlich wie die Kerwereden. Das Dorf- u. Zeitgeschehen wird heute in der Bütt (Protokoller, Till) vorgetragen oder fließt ganz in die Texte der Gesangsgruppen ein.

Die Säulen der Fastnacht zur Jahrhundertwende waren der Gesangverein, der Turnverein (später TSG) und der Radfahrverein. Da der Gesangverein als ältester Verein und Kulturträger bereits 1862 gegründet wurde und die Geselligkeit schon immer groß geschrieben worden ist, dürfte das Fasching feiern sogar noch älter sein. Maskenbälle wurden in früherer Zeit in den Sälen der Gaststätten gefeiert; hauptsächlich in den Gaststätten Gießen, Maurer – „Zur Post“ – (früher: Born, Weil, Rembe und Wutschke) und Weigel/Ochsner. Mitunter gab es an einem Abend bei Gießen und Maurer sogar zwei Bälle. Mehrmals wurde der Tanzsaal gewechselt.

Als besondere Attraktion diente im Saal Maurer die große Rutsche vom oberen in den unteren Saal zu den Sépareés. Um dem Dorf wieder Leben und Freude zu schenken, wurde bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg am 26. Januar 1947 um 20 Uhr im Saalbau Gießen von der Turn- u. Sportgemeinde (TSG) mit der 1. öffentlichen Kappensitzung eine lange Sitzungsära eingeleitet. Federführend für die erste Sitzung, in der ein inhaltsreiches Programm geboten wurde, waren Irma Eberle (geb. Göhring), Karl Baum II., Adolf Metzger und Günther Jungmann. Die Mitwirkenden waren Hanni Jost (geb. Steuerwald), Günther Jungmann, Edi Kirsch, Otto Heuberger, Erwin Rech und Friedhelm Becker. Licht und Schatten lagen allerdings über dieser Veranstaltung. Sie war zwar ein voller Erfolg, doch wurde sie auf Grund einer Beleidigungsanzeige einer Geschäftsfrau von der französischen Polizei, allerdings wegen angeblichem Tanz,  vorzeitig abgebrochen. Der eigentliche Grund des Abbruches lag jedoch am Inhalt der Fastnachtszeitung „KAZ“ (Karnevalistische Abendzeitung), die auch während der Sitzung vorgetragen wurde. Aufgrund der Anzeige wurden vom französischen Militärgericht der 1. Vorsitzende des Sportvereins, Jakob Baum II. zu 100 DM Geldstrafe und der Gastwirt Karl Gießen zu 5 DM Geldstrafe und zusätzlich acht Tagen Wirtschaftsschließung verurteilt. Wegen Beleidigung wurden zu einem vierteljährlichen Strafarbeitsdienst die Fastnachtsaktiven und Verfasser der „KAZ“, Friedhelm Becker, Günther Jungmann und Erwin Rech (alle Kalkwerk Harxheim-Zell), Erich Eberle (Rheinbrücke Maxau) und Adolf Metzger (Dienst in einer französischen Kaserne) verpflichtet.

Einen Fastnachtsrat (heute Elferrat) gab es damals noch nicht. Friedhelm Becker war in den Sitzungen der Ansager. Bis Anfang/Mitte der siebziger Jahre waren – stellvertretend für viele weitere Aktive – Friedhelm Becker, Günther Lebkücher, Emma Leber, Heiner Wolf, Hermann und Liesel Roos, die Stimmungsmusiker Berthold Roos (Schifferklavier) und Heiner Braun (Schlagzeug) und Bernd Karg, der als „de Sacke Karl“ jahrelang das Ortsgeschehen auf die Schippe nahm, die Säulen der TSG-Fastnacht. Nur drei Jahre später, am 17. Februar 1950, startete der Gesangverein – allerdings bis heute noch nicht öffentlich – mit einem Bunten Abend seine Sitzungsära. Aus dem ersten „Bunten Fastnachtsabend“ wurde mit den Jahren die „närrische Singstunde“, die auch heute noch alljährlich gefeiert wird.

Die Garanten der Anfangszeit waren Hans Schally, Artur Specht und Karl Meyer als „Babbe un´s Karlche“, Jakob Kampf, Erich Eberle, Ruth Reisinger (geb. Meyer), Marianne Bürtel (geb. Füller), und später Emma Leber, Ursula Best (geb. Wenz) und Christel Meyer. Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre wurden in Albisheim sogar Fastnachtsumzüge veranstaltet. Ein erster Umbruch mit Generationenwechsel zeichnete sich Anfang/Mitte der siebziger Jahre ab. Außerdem war der Saalbau Gießen mittlerweile zu klein und nicht mehr zeitgemäß, die vom Tischtennisclub angemieteten Maurer-Säle hingegen renoviert. Nach mehrmaligen Verhandlungen schlossen sich der Turn- u. Sportverein und der Tischtennisclub karnevalistisch zusammen und veranstalteten am 17. Februar 1975 im TTC-Saal des Gasthauses Maurer die 1. Gemeinschaftssitzung. Der erste Fünferrat mit Friedhelm Becker, Hans Burkheiser, Edgar Göhring, Günther Lebkücher und Hermann Roos wurde ins Leben gerufen.

Friedhelm Becker eröffnete als 1. Albisheimer Sitzungspräsident die 1. Gemeinschaftssitzung mit dem Prolog. „TTC und TSG in einem Verbund stellen sich vor im närrischen Rund, um Ihnen einmal zu zeigen, wie es klappen kann im gemeinsamen Reigen“. Damit war die Fastnachtsehe TSG/TTC geschlossen. Sie hat auch heute, nach 33 Jahren,  noch einen einträchtigen und harmonischen Bestand. Mit einem Siebenerrat und einer glanzvollen Sitzung verabschiedete sich in erstmals zwei Sitzungen am 19. und 20. Februar 1977 Friedhelm Becker nach 31 Jahren als einer der großen Wegbereiter Albisheimer Karnevalssitzungen von der Fastnachtsbühne. Mit dem neuen Sitzungspräsidenten Friedel Strack und erstmals einem Elferrat in den Sitzungen am 4. u. 5. Februar 1978 war die Zeit des Umbruchs beendet.

In den siebziger Jahren tauchten neue Gesichter (stellvertretend für viele weitere Akteure oder Helfer) wie Fred Jungmann, Edgar Göhring, Manfred Engel, Carmen Schroedel (geb. Jungmann), Heidi Brandmeyer (geb. Stilgenbauer), Sigrid Beck (geb. Roos), Hans-Walter Schally, Traudel (geb. Rech-Linker) und Friedel Strack, Norbert Huber, Walter Leber, Rainer Schroedel, Emil Espenschied, Edwin Fuhrmann, Erwin Hofrichter, Ronald Zelt, „Boss“ Heiner Rauwolf, Marga Füller und Gernot Fürwitt, teilweise sind sie sogar heute noch dabei, auf der Fastnachtsbühne auf und sorgten zusammen mit erfahrenen Fastnachtern dafür, dass der Sprung zur kompletten Prunksitzung auf Anhieb geschaffen wurde. Neben Kirchheimbolanden wurde Albisheim zu einer weiteren Fastnachtshochburg. Selbst aus den umliegenden Gemeinden kamen die Besucher und konnten nicht nur gute Sitzungen erleben, sondern auch prächtige, auf das jährliche Motto abgestellte Bühnenbilder bewundern. Einer der Garanten der Albsemer Fastnacht und hauptverantwortlich für den enormen Aufschwung war bis zu seinem Ausstieg 1995 Hans-Walter Schally. Einen hervorragenden Einstand feierten die Fastnachter am 3. u. 14. Februar 1988 mit ihren beiden ausverkauften Sitzungen erstmals in der Pfrimmhalle. Mehr als 700 Besucher erlebten einen Fastnachtsschmaus der Extraklasse

Ein weiterer Meilenstein Albisheimer Fastnacht war die von Heidi Brandmeyer 1987 erstmals ins Leben gerufene Kinder- u. Jugendsitzung. Mittlerweile wird die "JuKaSi" von Dirk Espenschied und Liane Schneider organisiert. Die beiden verzeichnen bis heute eine ungebrochen große Resonanz dieser jährlich sehr beliebten Nachwuchssitzung.

Seit dem 11.11.1990 wird auch in Albisheim, wie in Fastnachtshochburgen üblich, jährlich zur Eröffnung der Kampagne eine Rathausstürmung vorgenommen.

Wegen des Golfkrieges im Jahr 1991 mussten als Überreaktion landesweit die Fastnachtssitzungen ausfallen, obwohl die Vorbereitungen schon fast abgeschlossen waren.

Einen Präsidentenwechsel gab es jeweils in den Pausen der Sitzungen am 29. Februar und 1. März 1992. Nach 14 Jahren und 14 Sitzungswochenenden übergab Friedel Strack das Narrenzepter     freundschaftlich an Ronald Zelt, der bis heute einen ebenso würdigen wie beliebten,  schlagfertigen und souveränen Sitzungspräsidenten verkörpert, seit 2006 jedoch zeitweise vertreten durch Mathias Unger, der mittelfristig das Amt des Sitzungspräsidenten übernehmen soll.

Weitere bedeutende Wechsel wurden 1995 vollzogen, Hans-Walter Schally, dem die Albisheimer Fastnacht sehr viel zu verdanken hat, übergab die Gesamtorganisation an Rainer Schroedel, auf dessen Betreiben hin 1999 das erste Gardeballett mit 10 neuen Gardeuniformen über die Albisheimer Fastnachtsbühne wirbelte.

Nach mehr als 20 Jahren legte Maskenbildner Walter Leber die „Narrenschminkerei“ ebenfalls 1995 in jüngere Hände. Tochter Kerstin Leber und Heidi Ludwig (geb. Eisenbarth) sind seitdem die wichtigen Personen hinter den Kulissen, die gekonnt mit Schminke, Rouge und Spray für das entsprechende Aussehen der Akteure sorgen.

Aufgrund ihrer hohen Verdienste um die Albisheimer Fastnacht wurden verschiedene Personen geehrt:

Friedhelm Becker 1982 und Friedel Strack 1995 wurden zum Ehrenpräsident  ernannt, Marga Füller und Emma Leber 1985, Hans-Walter Schally, Walter Leber und Norbert Huber 1995 zu Ehrenfastnachtern.

Lässt man die letzten Jahrzehnte Revue passieren, kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass in Albsem prächtige und niveauvolle Sitzungen gefeiert wurden. Egal, ob Büttenredner, Gesangsgruppen, Balletts oder Showgruppen, alle haben gleichermaßen dazu beigetragen, die Fastnacht zu dem werden zu lassen, was sie heute ist. Seit wenigen Jahren befindet sie sich allerdings wieder in einem  natürlichen Generations-Umbruch. In vielen Kampagnen bewährte, erfahrene Kräfte haben sich leider zurückgezogen bzw. ziehen sich in absehbarer Zeit zurück. So hat Rainer Schroedel die Gesamtorganisation an Dirk Espenschied übergeben, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Kerstin Leber diese Aufgabe mit Bravour meistert und weiterhin für tolle und erlebnisreiche Sitzungen sorgt. Eine junge Generation muss wieder herangeführt und in die Sitzungen eingebaut werden. Da das Potential vorhanden ist, braucht man um den Fortbestand der Narralbsemer Fastnacht keine Bange zu haben.

Die Chronik wurde anlässlich unseres 100-jährigem Bestehens 1997 von unserem damaligen Mitglied Edwin Fuhrmann verfasst und für das jetzige 111-jährige Jubiläum von Rainer Schroedel aktualisiert.